„Im Leben zählt, welche Werte man lebt.“
Felix Neureuther, Skirennläufer und Gründer der Felix Neureuther Stiftung, im Interview

Herr Neureuther, Sie waren einer der erfolgreichsten Skirennläufer Deutschlands – was war Ihr größter Erfolg?
Felix Neureuther: Ich schaue eigentlich nicht auf irgendwelche Erfolge zurück, sondern auf das Glück, dass ich meine große Leidenschaft, den Skirennsport, leben durfte und dass ich von meinen Eltern und meinem Umfeld so einzigartig unterstützt wurde. Trotzdem verbinde ich mit meinem ersten Kitzbühel-Sieg die größte Emotion, weil ich direkt nach dem Zieleinlauf meine Eltern umarmen konnte. Tatsächlich zählen die Pokale oder Medaillen, die ich gewonnen habe, für mich persönlich gar nicht so sehr. Im Leben zählt etwas anderes, zum Beispiel, welche Werte man lebt. Dass man sich durch Rückschläge nicht entmutigen lässt. Oder, dass man am Boden bleibt und erkennt, was wirklich wichtig ist. Es geht um Werte wie Familie, Zusammenhalt, Fairness, Hilfsbereitschaft und achtsam mit der Natur umzugehen und Spaß an der Bewegung zu haben – egal, bei welcher Sportart –, das sind Erfolge, die zählen.
Sie engagieren sich mit der Felix Neureuther Stiftung genau in diesen Themenfeldern: Bewegung und Natur - und wurden 2025 von den Vereinten Nationen zum „UN-Botschafter für saubere Berge und Gletscher“ ernannt. Warum liegen Ihnen diese Themen so am Herzen?
Neureuther: Ich bin in und mit den Alpen groß geworden, sie waren mein liebster Spielplatz und mein bester Trainingspartner. Ich weiß um ihre Schönheit und Verletzlichkeit und möchte alles daransetzen, die Bergwelt für meine Kinder und alle kommenden Generationen zu schützen und zu bewahren. Außerdem kann es gesunde Kinder nur auf einer gesunden Erde geben. Deshalb habe ich 2024 gemeinsam mit Robert Lübenoff, Jürgen Brinkmann und Dr. Florian Kreuzpointner Gesunde Erde. Gesunde Kinder. gestartet – die erste Initiative im deutschsprachigen Raum, die sich speziell auf die Zusammenhänge von Kindergesundheit, Klimawandel und Umweltschutz fokussiert. Mit der Felix Neureuther Stiftung bin ich strategischer Partner von Gesunde Erde. Gesunde Kinder. und mein Stiftungsprojekt Naturhelden, das ich mit meinem Vater Christian zusammen gegründet habe, wird im Rahmen der Initiative umgesetzt. Dabei lernen die Kinder, wie sich ihr Verhalten auf die Natur und die Umwelt auswirkt. Ziel ist es, Kinder für den Zusammenhang zwischen Umweltverschmutzung und ihrer eigenen Gesundheit zu sensibilisieren. Deshalb spielt hier auch das Thema Bewegung eine große Rolle, denn Bewegung in der Natur ist für die Gesundheit von Kindern essenziell.
Bewegung ist ja auch das Hauptelement bei „Beweg dich schlau! Ein Programm der Felix Neureuther Stiftung“ (BDS), mit dem Sie Teil von United Kids Foundations sind. Worum geht es da?
BDS ist ein Bewegungs- und Bildungsprogramm, das ich 2014 gegründet habe und das mittlerweile mehr als 150.000 Kinder erreicht hat. Es basiert auf meinen eigenen Trainingserfahrungen und die Grundlagen wurden unter anderem gemeinsam mit wissenschaftlichen Partnern wie der Technischen Universität München entwickelt. Außerdem wird es von Trainingsexperten, wie meinem ehemaligen Trainer Max Rieder, begleitet und kontinuierlich weiterentwickelt. Es verfolgt das Ziel, Freude an der Bewegung zu vermitteln und den Grundstein für einen gesundheitsorientierten Lebensstil zu legen. Das Programm besteht aus spielerischen Bewegungsübungen, die Kopf und Körper gleichzeitig aktivieren und damit die physische Gesundheit, mentale Ausgeglichenheit und kognitive Leistungsfähigkeit fördern. Seit 2016 wird BDS auch von United Kids Foundations unterstützt. Die gemachten Erfahrungen und bestehenden Netzwerke in der BRAWO-Region haben uns extrem geholfen, das Programm auch hier zu etablieren. So konnten wir hier bereits 10.929 Kinder in 86 Einrichtungen erreichen. Zudem liegt es mir am Herzen, auch in dieser Region Kinder von BDS zu begeistern, sodass ich mich immer sehr freue, wenn ich mal persönlich vor Ort bin und das Leuchten in den Kinderaugen zu sehe, wie zum Beispiel im September 2023 in der Grundschule Rautheim.
Für wen ist das Programm gedacht?
Das Programm richtet sich an Kinder in Kindertageseinrichtungen und Grundschulen. Wir schulen das Einrichtungspersonal in Workshops und sorgen für den Wissenstransfer, damit das Programm nach der offiziellen Laufzeit eigenständig fortgeführt werden kann und damit auch langfristig und nachhaltig umgesetzt wird. Auch die Eltern werden miteinbezogen, sodass die Programminhalte in die Wohnzimmer daheim verlängert werden. Je nach Altersstufe erhält die Einrichtung zudem entsprechendes Material, mit denen unsere Übungen durchgeführt werden können. Ich bin jedes Mal von der Kreativität der Kinder bei den Übungen begeistert und finde ihre Ideen großartig, wie sie das Material einsetzen. Dem Ideenreichtum sind wirklich keine Grenzen gesetzt. Das Schöne ist eben: Die Übungen können überall gemacht werden, bedürfen nicht wahnsinnig viel Platz, können auch ohne Material durchgeführt werden und jeder kann sie schaffen. Das ist uns nämlich ganz wichtig: Die Kinder dort abzuholen, wo sie gerade mit ihren Voraussetzungen stehen, sodass wirklich jeder ein Erfolgserlebnis hat. Denn nur wenn Bewegung Spaß macht, bleibt man ein Leben lang dabei und aktiv. Und darum geht’s!
Welche Herausforderungen begegnen Ihnen bei der Arbeit mit Kindern heute häufiger als früher?
Auf jeden Fall das Smartphone – das war zu meiner Jugendzeit noch nicht so ein großes Thema. Es ist gar nicht so leicht, die Kinder von dem „Kastl“ wegzukriegen. Aber hier sind wir Eltern gefragt: Gehe ich als gutes Vorbild voran oder hänge ich selbst auch ständig an dem Ding? Wir müssen unsere Vorbildrolle ernstnehmen und in allen Bereichen gute Vorbilder sein, denn wie sonst wollen wir diese so wichtigen Themen glaubhaft vermitteln?
Haben Sie Tipps für Eltern?
Geht’s raus in die Natur und bewegt‘s Euch. Das muss nicht immer eine aufwendige Berg-Tour sein, gerade wenn man in der Stadt wohnt und die Möglichkeiten nicht hat. Geht in den Park, nehmt einen Ball oder einen Frisbee mit oder baut aus Hölzern einen Turm, geht barfuß über die Wiese und atmet die frische Luft ein. Fahrt kurze Strecken nicht mit dem Auto, sondern mit dem Rad, nehmt die Treppe statt dem Lift und geht auch bei Regen raus. Bereits kleine Veränderungen können einen großen Unterschied machen!
Infos zur Person
Felix Neureuther ist mit fünf WM-Medaillen und 15 Weltcupsiegen einer der besten deutschen Skirennläufer in der Weltcupgeschichte. 2020 gründete er seine eigene Stiftung, die das Bewegungs- und Bildungsprogramm „Beweg dich schlau! Ein Programm der Felix Neureuther Stiftung“ mit bisher mehr als 138.000 geförderten Kindern sowie das Natur- und Umweltschutzprogramm Naturhelden umsetzt, das er gemeinsam mit seinem Vater Christian ins Leben gerufen hat. Außerdem ist Neureuther einer von vier Initiatoren von Gesunde Erde. Gesunde Kinder., die sich als erste Initiative im deutschsprachigen Raum speziell auf die Zusammenhänge von Kindergesundheit, Klimawandel und Umweltschutz fokussiert. 2025 wurde er von den Vereinten Nationen zum BRS (Basel Rotterdam Stockholm) Conventions Advocate for Clean Mountains and Glaciers ernannt und vom Verband Deutscher Sportjournalisten für sein langjähriges Engagement mit dem Goldenen Band ausgezeichnet. Neben seinen sozialen Aktivitäten veröffentlichte er außerdem diverse Bücher (u.a. IXI-Kinderbuchreihe, „Unsere Alpen“, „Das Erbe der Alpen“ und im Herbst 2025 „Das Wasser der Alpen“ mit National Geographic), fungiert als ARD Wintersport-TV Experte und ist Podcast-Host von „Pizza & Pommes“. Außerdem setzt er sich in vier ARD-Dokumentationen (zuletzt „Alpentourismus in Gefahr“) kritisch mit den Themen Nachhaltigkeit und Sport auseinander.
Dieses Interview und weitere spannende Projekte, langjährige Partner und tatkräftige Unterstützer finden Sie in unserem United Kids Foundations Jubiläumsbuch. Hier können Sie das Buch online lesen: https://united-kids-foundations.de/wer-wir-sind/publikationen
