„Schwimmen sollte ein Grundrecht sein“
Franziska van Almsick, Schwimm-Idol und Gründerin der Franziska van Almsick Stiftung und „Kids auf Schwimmkurs, im Interview

Frau van Almsick, Sie sind mit Ihrem Projekt „Kids auf Schwimmkurs“ seit 2011 Teil von United Kids Foundations. Worum geht es in der Projektarbeit?
Franziska van Almsick: „Mit meiner Stiftung, der Franziska van Almsick Stiftung, setze ich mich seit Jahren dafür ein, dass jedes Kind mindestens eine Schwimmart sicher beherrscht, wenn es die Grundschule verlässt. Ich will damit nicht den nächsten Olympiasieger suchen, sondern in erster Linie Aufklärungsarbeit leisten, sowohl den Kindern als auch den Eltern gegenüber. Ein Seepferdchen ist ein Anfang, aber eben nur ein Anfang. Es bedeutet, dass man sich 25 Meter über Wasser halten kann. Das ist keine Garantie, dass die Kinder damit für schwierige Situationen gewappnet sind und sie sichere Schwimmer sind. Leider bleibt der Schwimmunterricht, oftmals wegen Lehrermangel und Schwimmbadschließungen, in den Schulen häufig auf der Strecke und das darf einfach nicht sein. Schulen und Eltern sollten das Thema sehr ernst nehmen. Schwimmen sollte ein Grundrecht sein.“
Wie viel näher sind Sie Ihrem Ziel, dass alle Kinder schwimmen können sollen, schongekommen?
„Jedes einzelne Kind, das durch das Projekt erreicht wurde, ist ein Gewinn. Aktuell sind wir in über 100 Städten aktiv und konnten über 35.000 Kinder dabei helfen, schwimmen zu lernen. Allein durch die Partnerschaft mit United Kids Foundations konnten seit 2011 bereits 7.536 Kinder in der BRAWO-Region schwimmen lernen. Das ist ein großartiger Erfolg, der vor allem auch dadurch möglich wird, dass wir alle an einem Strang ziehen und uns gegenseitig unterstützen. United Kids Foundations hilft uns dabei, die Kontakte zu den Vereinen vor Ort herzustellen. So arbeiten wir beispielsweise seit Beginn an mit dem VfL Wolfsburg e. V. eng zusammen. Das wäre ohne die Unterstützung des Netzwerks so nicht möglich gewesen.“
Wie wichtig ist es, Kinder schon früh mit Wasser und dem Schwimmen in Berührung zu bringen?
„Das ist sehr wichtig. Ich treffe immer wieder Kinder und Erwachsene, die Angst vor dem Wasser haben – und das ist schade. Die Angst würde ich ihnen gerne nehmen, damit sie sich im Wasser wohlfühlen. Aber man muss dem Wasser auch den nötigen Respekt entgegenbringen. Den habe auch ich bis heute nicht verloren. Denn leider passieren immer noch Ertrinkungsunfälle und jeder einzelne Unfall ist einer zu viel. Es ist wichtig, dass wir alle im Schwimmbad, Freibad, am See oder im Meer aufmerksam sind und schauen, was um uns herum passiert, damit wir im Notfall rechtzeitig eingreifen können. Ich empfehle allen Eltern, schon früh den spielerischen Kontakt mit Wasser zu ermöglichen und das Kind dann ab dem entsprechenden Alter in einen Schwimmkurs zu geben.“
Was macht Wasser zu Ihrem Wohlfühlort?
„Wasser ist ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Als ich mit fünf Jahren mit dem Schwimmen begann, wusste ich sofort: Wasser ist mein Element. Hier fühle ich mich wohl. Es ist ein unglaubliches Gefühl, durch das Wasser zu gleiten. Und meine Liebe zum Wasser hat mir auch meine Leistungssportkarriere ermöglicht: Ich durfte zu Weltmeisterschaften und Olympischen Spielen reisen, gewann Medaillen und feierte Erfolge. All das wäre ohne den Schwimmsport in dieser Form nicht möglich gewesen.“
Was wünschen Sie sich für Ihr Projekt für die Zukunft?
„Sinnvolle Lösungen für die aktuellen Hürden: Viele Schwimmkurse sind auf lange Zeit im Voraus ausgebucht und auch teuer. Hinzu kommt, dass die Bäder teils marode sind und nicht mehr saniert werden. Auch die Eintrittspreise steigen aufgrund der hohen Energie- und Heizungskosten, sodass es für viele Familien nicht mehr möglich ist, regelmäßig ins Schwimmbad zu gehen. Da braucht es meiner Meinung nach auch die Unterstützung durch das Land, denn wo sollen die Kinder schwimmen lernen, wenn keine Wasserflächen da sind? Und bei den Schulen sind die Lehrkräfte auch ohne Schwimmstunden schon überlastet. Es ist einfach viel aufwendiger, mit einer Klasse in ein Schwimmbad zu fahren und dort eine Schwimmstunde abzuhalten als eine Sportstunde in der Turnhalle oder normalen Unterricht im Klassenzimmer. Deswegen ist es so wichtig, Eltern und Schulen bestmöglich dabei zu unterstützen und zu entlasten.“
Wie kann das aussehen?
„Schulen haben auf der Website der Franziska van Almsick Stiftung die Möglichkeit, entsprechende Anträge zu stellen, die wir dann schnellstmöglich prüfen und versuchen, sie gemeinsam zu realisieren. Es ist immer gut, wenn sich Schulen in einer Region, Stadt oder Gemeinde zusammenschließen. So können wir viele Kinder gemeinsam unterstützen. Genauso wichtig ist es, dass die Schulen auch selbst die Bereitschaft mitbringen, das Thema ‚Schwimmenlernen‘ engagiert anzugehen. Nur wenn alle Beteiligten mitziehen, können wir nachhaltig etwas bewegen.“
Zur Person
Franziska van Almsick ist eine ehemalige deutsche Schwimmerin und eine der bekanntesten Sportpersönlichkeiten des Landes. Bereits im Alter von 14 Jahren gewann sie bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona ihre ersten Medaillen. Im Laufe ihrer Karriere sammelte sie insgesamt zehn olympische Medaillen, dazu zahlreiche Welt- und Europameistertitel, insbesondere auf den Freistilstrecken.
Van Almsick ist für ihr vielfältiges soziales Engagement nach ihrer aktiven Karriere schon mehrfach ausgezeichnet worden. Sie ist Initiatorin der Franziska van Almsick Stiftung und stellvertretende Vorsitzende der Deutschen Sporthilfe und hat es sich zur Aufgabe gemacht, Kindern den Wassersport näher zu bringen, indem sie mit ihrer Stiftung die Initiative „Kids auf Schwimmkurs“ umsetzt.
Dieses Interview und weitere spannende Projekte, langjährige Partner und tatkräftige Unterstützer finden Sie in unserem United Kids Foundations Jubiläumsbuch. Hier können Sie das Buch online lesen: https://united-kids-foundations.de/wer-wir-sind/publikationen
